Im Mai dieses Jahres entschied das Bundesverfassungsgericht über eine Verfassungsbeschwerde gegen die Einschränkungen, die durch die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung eingeführt wurden. Der Beschwerdeführer, unter 60 Jahre alt und auch sonst kein Betroffener einer Risikogruppe, erhob gegen Normen der 3. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, die die allgemeinen Kontaktbeschränkungen, Versammlungs- und Veranstaltungsverbote, Betriebsuntersagung für Fitnessstudios und Gastronomiebetriebe und die Pflicht zur Maskentragung im öffentlichen Personennahverkehr betreffen, Verfassungsbeschwerde. Der Beschwerdeführer fühlt sich in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit, seinem Recht auf Freiheit und seinem Recht auf Versammlung durch die Schutzmaßnahmen beeinträchtigt. Des Weiteren sei es seiner Meinung nach besser, wenn die betroffenen Risikogruppen und systemrelevante Helfer selbst die Quarantänemaßnahmen einhielten, da so nicht die Freiheit der anderen Menschen beeinträchtigt werde. Für Menschen, die jünger als 60 Jahre sind und nicht Atemwegsvorerkrankungen oder andere schwere Krankheiten vorweisen, sei eine Infektion mit dem Coronavirus einer Grippe, wie sie alljährlich auftritt, gleichzusetzen und demnach keine größere Gefahr. Zudem dienen die Schutzmaßnahmen auch nicht der Abwendung einer Überlastung des Gesundheitssystems, was sich durch die Zahlen der Neuinfektionen beweisen ließe.
Das Bundesverfassungsgericht nahm hierzu wie folgt Stellung:
Die Grundrechte dienen nicht nur dem Schutz des Einzelnen vor Akten durch die öffentliche Gewalt, sondern auch dem Schutz Dritter. Der Staat ist zu dem Schutz Dritter bezüglich der körperlichen Unversehrtheit verpflichtet, jedoch muss für alle Einschränkungen der Grundrechte ein Ausgleich zwischen der Freiheit der einen und dem Schutzbedarf der anderen gefunden werden. Dem Staat ist es demnach erlaubt Regelungen zu treffen, die auch den vermutlich gesünderen und weniger gefährdeten Menschen in gewissem Umfang Freiheitsbeschränkungen abverlangen, wenn gerade durch solche Regelungen auch den stärker gefährdeten Menschen ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Teilhabe ermöglicht werden kann.
Das Corona- Virus ist eine noch nicht ausreichend erforschte Krankheit, so dass für den Gesetzgeber ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum besteht. Dieser kann sich mit der Zeit erweitern oder verringern, abhängig von den Erkenntnissen der Wissenschaft und sonstigen Entwicklungen. Um diesen Umständen Rechnung zu tragen, unterliegen die Freiheitsbeschränkungen Befristungen und werden situationsbedingt gelockert oder verschärft. Folglich lehnte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde ab.
– 1 BVerfGE 1021/20