Kriterien der Rechtsprechung
Damit der Antrag auf Ehescheidung zulässig ist, müssen die Eheleute mindestens 1 Jahr getrennt voneinander leben. Schwierigkeiten bestehen häufig in der Beurteilung von Getrenntleben unter einem Dach. Ein weiteres Problem kann darin liegen, wenn trotz unterschiedlicher getrennter Haushalte dem Jobcenter gegenüber eine Bedarfsgemeinschaft besteht, d.h. die getrennt lebenden Eheleute gelten beim Jobcenter noch immer als Bedarfsgemeinschaft.
Die Ehegatten leben gemäß § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt.
Unter der Lebensgemeinschaft der Ehegatten ist primär die wechselseitige innere Bindung der Ehegatten zu verstehen. Die häusliche Gemeinschaft umschreibt dagegen die äußere Realisierung dieser Lebensgemeinschaft in einer beiden Ehegatten gemeinsamen Wohnstätte. Die häusliche Gemeinschaft bezeichnet nur einen äußeren, nicht notwendigen Teilaspekt dieser Gemeinschaft. Allein aus dem Nichtbestehen einer häuslichen Gemeinschaft ergibt sich ein Getrenntleben der Ehegatten noch nicht. Eine eheliche Lebensgemeinschaft kann vielmehr auch dann bestehen, wenn die Ehegatten einvernehmlich eigenständige Haushalte unterhalten. Einer von den Ehegatten vollzogenen räumlichen Trennung kann zum Beispiel dann nicht die Bedeutung eines geäußerten Trennungswillens zugemessen werden, wenn einer der Ehegatten in ein Pflegeheim umzieht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2016, XII ZB 485/14, FamRZ 2016, 1142, juris Rn. 14).
Abzustellen ist auf den Trennungswillen. Dieser liegt im Zweifel bei Umzug in ein Pflegeheim nicht vor. Ist aber ein Ehegatte aus der Ehewohnung ausgezogen und hat sonst auch kein Kontakt mehr zum Ehepartner, so ist der Trennungswille zu unterstellen, es sei denn, es bestehen durchgreifende gegenteilige Anhaltspunkte, wonach die eheliche Lebensgemeinschaft trotz räumlicher Trennung ausnahmsweise fortbesteht. Diese ergeben sich aber nicht aus dem Bezug von Leistungen als Bedarfsgemeinschaft nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs. Zwar kann ein Auftreten gegenüber dem Jobcenter als Bedarfsgemeinschaft – insbesondere bei Getrenntleben innerhalb der Ehewohnung – ein Indiz dafür darstellen, das für das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft und gegen ein Getrenntleben der Ehegatten spricht (vgl. KG, Beschluss vom 30. April 2012, 17 WF 108/12, FamRZ 2012, 1836, juris Rn. 3; Senat, Beschluss vom 12. März 2017, 12 WF 35/17; OLG Köln, Beschluss vom 21. März 2018, 25 WF 43/18, juris Rn. 1; a.A.: OLG Köln, Beschluss vom 2. Januar 2018, 21 WF 227/17, NZFam 2018, 956, juris Rn. 4). Dieses Indiz kann jedoch durch einen substantiierten Tatsachenvortrag widerlegt werden. Schließlich kann auch der (Weiter-)Bezug von Leistungen als Bedarfsgemeinschaft unzutreffend sein. Eine Bindungswirkung an die sozialrechtliche Entscheidung des Jobcenters besteht nicht.
Ein Auftreten gegenüber dem Jobcenter als Bedarfsgemeinschaft stellt insbesondere bei Getrenntleben innerhalb der Ehewohnung ein Indiz dafür dar, das für das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft und gegen ein Getrenntleben der Ehegatten spricht. Dieses Indiz kann jedoch durch einen substantiierten Tatsachenvortrag widerlegt werden.
(OLG Hamburg Beschl. v. 26.5.2020 – 12 WF 52/20, BeckRS 2020, 11987, beck-online)
Gerade für Leistungsbezieher ist dieses Kriterium von enormer Bedeutung, da hiervon auch die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abhängt. Es bedarf vorab einer sorgfältigen Prüfung durch eine / einen Fachanwalt/ Fachanwältin für Familienrecht.