In manchen erbrechtlichen Konstellationen kann es von Nöten sein, dass ein Nachlassverzeichnis erstellt wird. Unter einem Nachlassverzeichnis versteht man die ausführliche Auflistung der Vermögenswerte, Schulden und Verbindlichkeiten des Verstorbenen. Es kann privat und oder von einem Notar erstellt werden (§§20, 15 BnotO). Benötigt wird es für die Erbschaftssteuererklärung, im Erbscheinverfahren, bei Vor – und Nacherbschaften (§2121 BGB) sowie bei einer Erbschaft von Minderjährigen (§1640 I BGB). Des Weiteren tritt in der Praxis die Konstellation auf, dass jemand enterbt wurde und einen Pflichtteil geltend machen möchte. In diesem Fall hat er einen Anspruch gegen den Erben aus §2314 BGB auf Erstellung eines Nachlassverzeichnisses. Anspruchsberechtigt sind in erster Linie gemäß §2303 BGB enterbte Abkömmlinge, dann die Eltern und der Ehepartner oder Lebenspartner (§10 VI LPartG). Des Weiteren kann auch ein geschiedener Ehegatte anspruchsberechtigt sein, wenn er nach §1568b BGB unterhaltsberechtigt ist. Auch ohne Enterbung kann ein Pflichtteil geltend gemacht werden, zum Beispiel dann, wenn der Erbe das Erbe ausgeschlagen hat, der Pflichtteil aber dennoch besteht.
Bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses wird zwischen Aktiva und Passiva unterschieden. Die Aktiva sind alle vererbbaren Nachlassgegenstände wie Bankkonten, Bargeld, Sachen, Immobilien aber auch Versicherungen. Durch Zusammenrechnen der Werte der einzelnen Posten entsteht eine Gesamtsumme, die dann wiederum mit dem Passivvermögen verrechnet wird. Passiva sind solche Verbindlichkeiten, die das Erbe mindern, zum Beispiel Schulden oder Hypotheken. Ein solches Verzeichnis kann beim Notar in Auftrag gegeben werden. Die Bezahlung des Notars richtet sich nach dem Geschäftswert gemäß §115 GNotKG, der dem Wert der verzeichneten Gegenstände entspricht. Dessen Berechnung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§35 f. GNotKG und den Bewertungsvorschriften der §§46 f. GNotKG.
Das Oberlandesgericht Hamm hatte sich zuletzt diesbezüglich mit folgendem Sachverhalt auseinanderzusetzen:
Eine Pflichtteilsberechtigte eines Nachlasses beauftragte einen Notar damit über den betreffenden Nachlass ein notarielles Nachlassverzeichnis zu erstellen. Der Notar schickte der Auftraggeberin nach Erstellen des Verzeichnisses eine Rechnung. Die von der Auftraggeberin zu zahlende Summe setze sich aus folgenden Bestandteilen zusammen: Gebühren, Auslagen und die inbegriffenen 19% Umsatzsteuer. Unter die Gebühren fällt auch die Verfahrensgebühr, die sich nach dem Geschäftswert richtet. Zur Ermittlung des Geschäftswerts zog der Notar die Werte des Aktivnachlasses und des fiktiven Nachlasses heran. Strittig war zwischen den Parteien, ob die Passiva des Nachlasses bei Ermittlung des Geschäftswerts gemäß §115 1 GNotKG von Seiten des Notars zu berücksichtigen sind. (OLG Hamm, Beschluss vom 01.08.2023 – 15 W 310/20).
Zu entscheiden war in diesem Kontext, was „Gegenstände“ im Sinne von §115 S. 1 GNotKG sind. Grundsätzlich ist der Begriff „Gegenstand“ schonmal nicht gleichzusetzen mit dem Begriff „Wert“ (OLG Hamm, Beschluss vom 01.08.2023 – 15 W 310/20). Aus der Zusammenschau aller Regelungen im BGB ist erkennbar, dass der Oberbegriff „Gegenstände“ alle individualisierbaren, vermögenswerten Objekte und Güter, über die Rechtsmacht im Sinne von Herrschafts – und Nutzungsrechten ausgeübt werden kann, und zwar entweder als mögliches Objekt einer Verfügung (vgl. §§135, 161, 185, 747, 816, 2040 BGB), als mögliches Objekt schuldrechtlicher Verpflichtungen (vgl. §§256, 260, 273, 292, 453, 463, 581, 743 f., 2149, 2374 BGB) oder auch nur im übertragenen Sinn (vgl. §§32, 387, 611, 1854 Nr. 6 BGB) umfasst (OLG Hamm, Beschluss vom 01.08.2023 – 15 W 310/20). Gegenstand ist der Oberbegriff für Sachen, Forderungen, Immaterialgüterrechte sowie Vermögensrechte, nicht jedoch für Schulden (OLG Hamm, Beschluss vom 01.08.2023 – 15 W 310/20; Litzenburger FD – ErbR 2020, 431483). Folglich sind Verbindlichkeiten weder werterhöhend zu berücksichtigen, noch abzuziehen bei der Ermittlung des Geschäftswerts.
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