Regelmäßig kommt es in der Praxis vor, dass jemand nicht zum Erben eingesetzt wurde, aber pflichtteilsberechtigt ist. Pflichtteilsberechtigt sind gem. §2303 I BGB in erster Linie die Abkömmlinge, also die Kinder des Erblassers. Aus §2303 II BGB ergibt sich, dass auch die Ehegatten und Eltern pflichtteilsberechtigt sein können. Bei den Eltern des Erblassers ist dies jedoch nur der Fall, sofern sie im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge von den Kindern des Erblassers verdrängt werden (vgl. §2309 BGB). Das Hauptproblem ist zunächst, dass der Pflichtteilsberechtigte keine Kenntnis über den Nachlass hat.
Gemäß §2314 BGB besteht eine Auskunftspflicht der Erben gegenüber der pflichtteilsberechtigten Person. Darunter fallen folgende Ansprüche:
– Anspruch auf Erstellung eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses (§2314 I 1 BGB)
– Anspruch auf Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses (§2314 I 3 BGB)
– Hinzuziehungsrecht (§2314 I 2 Halbsatz 1 BGB)
– Wertermittlungsanspruch (§2314 I 2 a. E. BGB)
– Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§2314 BGB i.V.m. §260 BGB)
Für den Pflichtteilsberechtigten besonders relevant ist der Anspruch auf Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses aus §2314 I 3 BGB. Ein notarielles Nachlassverzeichnis hat den selben Inhalt wie ein privatschriftliches, denn es muss Auskunft geben über die tatsächlich vorhandenen Vermögensgegenstände des Erblassers, angenommene Erbschaften und Vermächtnisse, bedingte Rechte und Verbindlichkeiten sowie ungewisse Rechte und Verbindlichkeiten, Sachen über die der Erblasser Mitbesitz ausgeübt hat, den Haushalt (Voraus), den Güterstand sowie die Anzahl und das jeweilige verwandtschaftliche Verhältnis der Erben zum Erblasser. Der Anspruch setzt voraus, dass der Notar den Nachlassbestand selbst und eigenständig ermittelt und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringt, für den Inhalt verantwortlich zu sein (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.10.2023 – 14 W 41/23). Dabei ist der Notar in der Ausgestaltung des Verfahrens frei, er muss dabei zunächst von den Angabe der Auskunftspflichtigen ausgehen ohne sich dabei auf zu beschränken und ohne sie auf ihre Plausibilität hin zu untersuchen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.10.2023 – 14 W 41/23). Zur Ermittlung und Feststellung des Nachlassbestands muss der Notar die Nachforschungen anstellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich hielte (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.10.2023 – 14 W 41/23).
Des Weiteren besteht für den Pflichtteilsberechtigten das Recht zur Erstellung des Verzeichnisses hinzugezogen zu werden (§2314 I 2 Hs. 1 BGB). Hinzuziehen bedeutet in diesem Kontext ein Recht auf Anwesenheit wofür der Termin dem Pflichtteilsberechtigten bekannt gegeben werden muss.
Prozessual können die jeweiligen Ansprüche in separaten Klagen oder einer Stufenklage durchgesetzt werden.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte diesbezüglich über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Ein Mann hatte Ehefrau und Tochter und setzte die Ehefrau zu seiner Alleinerbin ein. Dagegen macht die Tochter ihren Pflichtteil im Rahmen einer Stufenklage geltend, wobei die Ehefrau auf Antrag der Tochter zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt wird. Ein halbes Jahr später liegt kein notarielles Nachlassverzeichnis vor, so dass die Tochter gegen die Ehefrau ein Zwangsgeld verhängen lässt. Dagegen wehrt sich die Ehefrau mit dem Einwand, dass sie den Notar beauftragt habe und mehrmals telefonisch nach dem Nachlassverzeichnis gefragt hatte. Kurze Zeit später legte die Ehefrau das Verzeichnis vor. Dennoch wollte die Tochter des Erblassers den Zwangsgeldbeschluss aufrecht erhalten mit der Begründung, dass sie bei der Aufnahme nicht hinzugezogen wurde.
Das Gericht entschied in der Sache, dass für ein Zwangsgeld die Pflicht zur Ermöglichung der Anwesenheit für die Pflichtteilsberechtigte bei der Aufnahme des notariellen Verzeichnisses in das Urteil hätte aufgenommen werden müssen. Jedenfalls kann ein Pflichtteilsberechtigter die Wiederholung der Errichtung unter seiner Hinzuziehung nur dann verlangen, wenn er vor der Erstellung sein Anwesenheitsrecht geltend gemacht hatte. Eine Verhängung des Zwangsgeldes nach Vorlage des Verzeichnisses ist nicht mehr gerechtfertigt.
Dazu und zu weiteren Fragen berate wir Sie gerne hier in unseren Kanzleiräumen unserer Kanzlei Koppmann.Krzefky!