(OVG Lüneburg, 14. Senat, Beschluss vom 09.11.2022 – 14 ME 310/22)
Ein Kind, das älter als 1 aber unter 3 ist, hat gem. §24 II 1 SGB VIII einen Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege. Zeitlich richtet sich die Förderung nach dem konkret – individuellen Bedarf (§24 II 2 iVm I 3 SGB VIII). Das bedeutet, dass der Erziehungsberechtigte seinen individuellen Bedarf erläutert. Eine Grenze bildet lediglich das Kindeswohl, dass bei einer Betreuung über 45 Stunden die Woche als gefährdet angesehen werden kann.
Bei dem Gericht vorliegenden Sachverhalt leben die Eltern des ein Jahr alten Kindes seit kurzem in Trennung. Die Kindesmutter arbeitet täglich von 08.00 – 16.30 Uhr. Familiär kann das Kind nicht betreut werden. Die Kita des Kindes liegt mit dem Auto fünf Minuten entfernt zur Arbeitsstelle der Mutter. Die Kita erhebt einen monatlichen Betrag von 2.1110, 90€ für die Leistungsart K10 und die Kosten für die Vollverpflegung und das Care – Paket. Kind und Eltern sind finanziell nicht in der Lage diesen zu erbringen. Die Kindesmutter meldete bei der zuständigen Kommune ein ¾ Jahr vor gewünschten Betreuungsstart das Kind zur Betreuung an. Zudem teilte sie mit, dass sie nach Ablauf der Elternzeit ihrem Beruf wieder in Vollzeit nachgehen wollen würde. Zu diesem Zeitpunkt bestand ein Betreuungsangebot seitens der Kitas der Samtgemeinde von 07.00 – 17.00 Uhr. Die Samtgemeinde bot der Mutter einen Platz in einer Kita mit Betreuungszeiten von 08.00 – 16.00 Uhr an. Mangels ausreichender Betreuung durch diese Kita suchte die Mutter eine Kita mit passenden Betreuungszeiten. Den Betreuungsvertrag unterzeichnete sie am 08.09, also nach Beginn des Kitajahres 2022/2023. Bis zu diesem Tag lag der Mutter kein bedarfsgerechtes Angebot seitens der Samtgemeinde vor.
Das Gericht befand, dass eine Selbstbeschaffung nach Beginn des Kindergartenjahres zulässig sei. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Mutter einen fälligen Anspruch gegen den Träger aus §24 II 1 SGB VIII auf Nachweis eines bedarfsgerechten Betreuungsplatzes, der vom Träger nicht erfüllt wurde. Zudem ist die Inanspruchnahme der Kinderbetreuung mangels familiärer Kapazitäten unaufschiebbar. Der Träger erbringt vorliegend nicht die Leistung in Form eines bedarfsgerechten Betreuungsplatzes, so dass die Eltern gezwungen waren selbst zu entscheiden, welche Maßnahmen zu einer bedarfsgerechten Lösung geeignet und erforderlich sind. Demnach haben die Eltern einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die ihnen bei Bereitstellung eines Kitaplatzes durch die Kommune erspart geblieben wären und die die Eltern unter Berücksichtigung der Verpflichtung zu wirtschaftlichen Handeln für erforderlich halten durften. Somit sind vermeidbare Luxusausgaben außerhalb des Leistungskatalogs des privaten Anbieters ausgeschlossen. Die Höhe dessen orientiert sich an §670 BGB. Bei der Wahl der Betreuung sind die Eltern nicht derart begrenzt, dass diese eine Vereinbarung gem. §78b SGB VIII mit dem Träger geschlossen hat. Zudem darf die Kita auch außerhalb der Gemeinde liegen, wenn in dieser keine Kita bedarfsgerechte Zeiten anbietet. Der Anspruch wird jedoch gemindert um fiktive Aufwendungen der Eltern, die diese auch bei einem Platz bei dem zuständigen Träger hätten.
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