Im Zuge der Impfkampagne kam es zu Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Impfens. Insbesondere stand die Frage im Raum, ob, ab wann und mit was Kinder gegen das Virus geimpft werden können.
Das OLG Frankfurt am Main entschied darüber am 17.08.2021 (OLG Frankfurt – 6 UF 120/21) in folgendem Fall:
Ein 15-Jähriger, der an Adipositas erkrankt ist, würde sich gerne impfen lassen. Seine Eltern sind geschieden und er lebt bei seiner Mutter, die gegen die Impfung ist. Der Kindesvater beantragte im Wege einer Eilentscheidung, dass ihm die alleinige Entscheidungsbefugnis bezüglich der Impfung übertragen wird. Zudem bestehe für den Sohn aufgrund seiner Adipositas und seinen Depressionen eine eindeutige medizinische Indikation für die Impfung.
Die Kindesmutter sieht das allerdings anders. Ihrer Meinung nach handele es sich bei der Impfung mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer um eine Gentherapie. Zudem sehe sie in der Impfung keinen Nutzen, wenn das Vakzin nicht gegen aufkommende Mutanten des Virus wirksam schütze. Zudem birgt die Impfung die Gefahr der Bildung von Blutgerinnseln und der Unfruchtbarkeit.
Dem Kind wurde ein Verfahrensbeistand beigeordnet, mit dem es dann persönlich bei Gericht angehört. Das Kind sagte, dass es durch eine Impfung sich selbst und seine Eltern, die Risikopatienten sind, schützen wolle. Des Weiteren wolle er sich für einen möglicherweise wiederkehrenden Lockdown von der Testpflicht befreien. Zudem fährt er im Sommer zweimal in den Urlaub, wo er auch von der Testpflicht befreit sein möchte. Ihm sind die Nebenwirkungen einer Impfung bewusst. Das Gericht hatte nach der Anhörung den Eindruck, dass das Kind reif und reflektiert sei.
Das Gericht übertrug dem Vater die Alleinentscheidungsbefugnis gem. § 1628 BGB mit der Bedingung, dass die Impfung mit dem Vakzin Comirnaty zu erfolgen hat. Dies steht im Bezug der der Empfehlung der STIKO vorerkrankte Kinder im Alter von 12 – 17 mit diesem Vakzin zu impfen.
Das Kind wurde anschließend geimpft und die Beschwerde der Mutter abgewiesen.
Die Entscheidung über die Durchführung von Schutzimpfungen ist generell eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 1628 S.1 BGB. Gem. § 1628 kann ein Elternteil mit gemeinsamer Sorge bei Meinungsverschiedenheiten die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis beantragen. Die richterliche Entscheidung orientiert sich am Kindeswohl gem. § 1697a BGB.
Bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Schutzimpfungen nach § 1628 S. 1 BGB auf einen Elternteil kann grds. nach inzwischen gesicherter Rechtsprechung darauf abgestellt werden, dass die Entscheidungsbefugnis grds. demjenigen Elternteil übertragen wird, der Impfungen des Kindes entsprechend der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch -Institut befürwortet, soweit bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen.