Hatte der Erblasser ein Testament verfasst und gesetzliche Erben sind darin nicht bedacht worden, so können sie ihren Pflichtteil geltend machen. Sie haben meistens keinerlei Kenntnis über den Nachlass und die letzte persönliche Situation des Erblassers. Eine typische Fallkonstellation ist hier, dass der Nachlasser ein verstorbener Elternteil ist, der wiederverheiratet ist und keinen Kontakt zu seinen Kindern hatte. In einem solchen Fall kann das Testament so gestaltet sein, dass Alleinerbe der neue Ehepartner ist und die Kinder nicht bedacht wurden oder nur geringfügig unterhalb des Pflichtteils bedacht wurden.
Zur Geltendmachung des Pflichtteils bedarf es auch der Auskunft über den Nachlass und der letzten persönlichen Situation des Erblassers. Ansonsten kann der Pflichtteilsanspruch nicht beziffert werden. Das Gesetz sieht hier den Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten in § 2314 Abs. I BGB vor.
Im Rahmen der Geltendmachung des Auskunftsanspruch wird natürlich in erster Linie an die Auskunft über die verbliebenen Vermögenswerte Nachlass gedacht. Neben dem Bestand über die einzelnen Vermögenswerte im Nachlass ist jedoch auch wichtig festzustellen, wie sich die Pflichtteilsquote bestimmt. Zur Feststellung der Pflichtteilsquote ist die Kenntnis entscheidend, wie viele gesetzliche Erben der Erblasser hinterlassen hat und ob einer der gesetzlichen Erben entsprechend § 2310 S.2 BGB durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist.
Ebenfalls muss die Auskunft Angaben dazu enthalten, ob der Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalls verheiratet war und, falls dem so war, in welchem Güterstand er lebte sowie ob der überlebende Ehegatte enterbt wurde oder das Erbe bzw. ein Vermächtnis ausgeschlagen hat. (OLG Düsseldorf, NJW 1996, S. 3156)
Auskunft zu erteilen ist auch darüber, ob zum Zeitpunkt des Erbfalls die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vorlagen und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat.
Im Rahmen der Auskunftspflicht hat der Pflichtteilsberechtigte ebenfalls Anspruch auf ein Bestandsverzeichnis, sowohl auf ein privatschriftliches als auch auf ein amtliches Nachlassverzeichnis, also ein notarielles Nachlassverzeichnis. Hierbei ist zu beachten, dass der Pflichtteilsberechtigte verlangen kann hinzugezogen zu werden bei Erstellung der Nachlassverzeichnisse, sowohl bei dem privatschriftlichen als auch bei dem notariellen zugezogen zu werden. Dies ergibt sich aus § 2314 Abs I, S.2 BGB.
Bei seinem Bestandsverzeichnis muss der Erbe und Auskunftsverpflichtete alle Aktiva und Passiva des Vermögens angeben und auflisten. Hierzu gehören auch die Verbindlichkeiten im Nachlass. Da die Verbindlichkeiten den Nachlass mindern, besteht hierüber kein Anlass zur Sorge, dass diese nicht vollständig aufgeführt wurden. Es besteht vielmehr die Sorge des Pflichtteilsberechtigten, dass die vom Erben in Ansatz gebrachten Verbindlichkeiten nicht oder jedenfalls nicht in der angegebenen Höhe bestehen. Die Verbindlichkeiten sind demnach dahingehend zu überprüfen, ob sie überhaupt bestehen bzw. durchsetzbar sind.
Hierbei gilt es zu beachten, dass auch nicht sämtliche Passiva im Rahmen der Pflichtteilsberechnung nachlassmindernd zu berücksichtigen sind. Forderungen gegen den Erblasser, die schon verjährt sind und danach nicht mehr durchsetzbar sind, haben keine nachlassmindernde Wirkung. Insofern dürfen sie nicht mit aufgelistet werden. Daher ist darauf zu achten, dass im Nachlassverzeichnis unter den Passiva bei den einzelnen Forderungen auch der jeweilige Entstehungszeitpunkt der Forderung mit aufgelistet wird, da nur so die Durchsetzbarkeit des Anspruchs von Seiten des Pflichtteilsberechtigten geprüft werden kann.
Des Weiteren sind nur Nachlassverbindlichkeiten in Abzug zu bringen, die auch bei der gesetzlichen Erbfolge entstanden und dann von den Pflichtteilsberechtigten als gesetzlicher Erbe zu tragen gewesen wären. Demzufolge schmälern bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs die Kosten für die Testamentseröffnung den Nachlass nicht. Daher sind auch Kosten des Erbscheins nicht abzugsfähig, da dieser primär dem Legitimationsinteresse des Erben dient.
Wie die vorhergehenden Ausführungen zeigen, ist die richtige Geltendmachung des Auskunftsanspruch eine komplexe Angelegenheit, die sich nicht einfach ohne fachliche Beratung durchsetzen lassen kann.
Empfehlenswert ist eine fachkundige Beratung, eines Rechtsanwalts oder Rechtsanwältin für Erbrecht.